Thanks to the Goethe Institut for promoting my upcoming exhibition “Re-Searching Identity” for the
Belgrade Photo Month festival.
Belgrade Photo Month
Eröffnung: 29. März um 18:00 Uhr
Künstlergespräch: 30. März um 11:00 Uhr in UK Stari Grad, Kapetan-Mišina 6a: Marija
Jovanović führt ein Gespräch mit Susanne Junker über ihr Buch „21st century woman”. Das
Künstlergespräch wird in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Sozialgleichgewicht
(CEDRA) organisiert.
Künstlerisches Statement: Selfie-Kultur? Identitäts-Erforschung mithilfe von Selbstporträts /
Selfie culture? Researching identity through self-portraiture.
In den 1990er-Jahren habe ich als Fotomodel und damit als Subjekt vor der Kamera
gearbeitet. Jahre später kam es zu einer radikalen Veränderung meiner Position innerhalb
dieser Konstellation. Ich wurde Fotografin und übernahm damit die Kontrolle über die
Darstellung des eigenen Ich. Im Laufe der Zeit entstand dadurch eine umfangreiche
Selbstporträt-Sammlung. Mit diesem Thema beschäftige ich mich bis heute, wobei ich immer
die Position der Frau als Subjekt im Bezug auf die Kameralinse hinterfrage.
Damals bei meinen Anfängen als Fotografien dienten mir u. a. die Arbeiten von Claude
Cahun und Cindy Sherman als wichtige Inspirationsquellen. Ich hatte den Eindruck, ich
sei gut aufgehoben in diesem ziemlich exklusiven Kreis von Künstler*innen, die
schwerpunktmäßig mit Selbstporträts arbeiten. Wer hätte damals gedacht, dass nur 15 Jahre
später, die Neuprägung Selfie zum Wort des Jahres 2013 erklärt werden sollte? Wer hätte
noch erwartet, dass im Kurzen so gut wie jeder ein Smartphone mit eingebauter Kamera
besitzen und damit Selfies auf Fließband schießen wird?
Wir leben heute in einer 14 x 7 cm Welt, die auf die Durchschnittsmaße eines modernen
Smartphones reduziert ist. Mithilfe von Apps wie Facetune und Meitu gestallten die
User*innen von sozialen Netzwerken ihre eigenen retuschierten Avatars. In 2016 haben
beispielsweise 360 User*innen die App Meitu benutzt, um damit 2,9 Milliarden Selfies zu
retuschieren. Und da frage ich mich, ob diese passionierten Selfie-Schießer*innen den
Unterschied zwischen einem Selfie und einem Selbstporträt überhaupt noch kennen? Was für
ein Bild haben die eigentlich von sich selbst, wenn man bedenkt, dass die meisten Fotos
sofort retuschiert werden? Es ist kein Geheimnis, dass die Zahl der User*innen, die
Fotobearbeitungsprogramme benutzen die Zahl der Anhänger*innen von Initiativen wie
#nofilter oder #nofacetune übersteigt, und zwar bei Weitem.
Diese und ähnliche Fragen bilden meinen Ausgangspunkt beim Versuch, die Position des„Selbst” in
unserer Kultur zu bestimmen, und zwar vor dem Hintergrund der Tatsache, dass
diese zunehmend zu einer Selfie-Kultur mutiert. Dabei stelle ich auch die Bilder auf den
Prüfstand, die wir als Künstler*innen der Öffentlichkeit präsentieren, und gehe der Frage auf
den Grund, ob wir uns auch selbst in diesem Kontext womöglich neu positionieren könnten,
indem wir die eigene Identität erforschen? Hätte das einen Einfluss auf unser eigenes
künftiges Leben und Arbeiten oder sogar auf das künftige Leben und Arbeiten anderer
Menschen? Gibt es einen Unterschied zwischen der Art und Weise, wie wir uns selbst in den
sozialen Netzwerken präsentieren, und der Art und Weise, wie wir das in den Kunstgalerien
tun? Stellen diese ganzen Selfies und Selbstporträts überhaupt noch „uns” dar? Sind das
immer noch „wir”? Was ist in unseren Augen vollkommen? Kann man auch dann von
Kreativität reden, wenn man nur noch schnell ein paar Mal anklicken und posten muss?
In diesem Sinne stellt die Ausstellung die Frage nach dem Unterschied zwischen der
künstlerischen Fotografie, auf der einen Seite, und den zeitgenössischen Selfies, auf der
anderen Seite. Dadurch entsteht eine explosive Mischung von Angst und von Feststimmung,
die immer aus dem Wagnis hervorgeht, abstrakte Ideen am Beispiel des eigenen Körpers zu
hinterfragen. In diesem Falle geschieht das im Rahmen eines Fotoshootings als
Entstehungsprozess eines Kunstwerks, bei dem sich eine einmalige Kombination aus
Erstarrung und physischem Schmerz entwickelt. Stellen ein Bild, das auf diese Art und Weise
entsteht und mit solch intensiven Erlebnissen verknüpft ist, und ein Foto, das in wenigen
Sekunden mit einem IPhone X gemacht und bearbeitet wird, trotzdem nur zwei Pole eines
Kontinuums dar, und wenn ja – um was für ein Kontinuum handelt es sich dabei?
Neben den frühen Werken Susanne Junkers aus der „Supermodel?”-Serie umfasst die
Ausstellung „Researching Identity” auch ihre aktuellen Arbeiten aus dem Buch „21st century
woman” und aus dem laufenden Projekt „ID-Identity”.